Folk

DAMON ALBARN – EVERYDAY ROBOTS (28.04.2014) *update: video

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damon albarn - everyday robotsDer britische Multiinstrumentalist und Genre-Hüpfer Damon Albarn (Blur, Gorillaz, The Good, The Bad And The Queen etc.) hat nun sein erstes Soloalbum mit Titel, Tracklist und Release-Datum versehen: am 28. April erscheint ‚Everyday Robots‘ mit 12 Tracks und einer Live-DVD.

Voraussichtlich werden wir eine ziemlich erdige Electronic Music zu hören bekommen, mit viel Piano, souligem Gesang und vielleicht auch Akustikgitarren. Er selber beschreibt’s als „sort of folk soul“. Ein paar Soundschnipsel gibt es schon zu hören. Es folgt auch ganz bald ein Video zum Titeltrack des Album.

*Update: Hier das Video zum ersten Song ‚Everyday Robots‘:

Das meiner Meinung nach interessantere Teaservideo zum Album ist leider von der GEMA und Google/Youtube gegeofickt. Wer’s entsperren kann, wird mit einem weiteren kurzen Clip belohnt. Diese 21 Sekunden vom Dezember letzten Jahres haben mich erst dazu gebracht, der ganzen Sache aufmerksam zu folgen.

Maix Fleischer

BILL CALLAHAN – DREAM RIVER (LP)

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0781484055310_1Bill Callahan ist noch ein richtiger Kerl. Ein schweigsamer Einzelgänger, der mit der Zivilisation nie so richtig ins Reine gekommen ist. Manchmal etwas miesepetrig. Einer der viel lieber in diversen Bands Musik macht, Romane schreibt und Bilder malt als wäre er die impressionistische Reinkarnation Casper David Friedrichs. Alles ohne großen Schnick Schnack. Und groß drüber reden? Um Gottes Willen! Callahan hat sich in die Einsamkeit zurückgezogen und genießt dort die ganz einfachen Seiten des Lebens. Musikalisch könnte das verdammt kitschig ausgehen, wären da nicht sein lakonischer Humor und sein überragend raffiniertes Songwriting. ‚Dream River‘ wirkt in Zeiten der wiederbelebten, unsäglich gekünstelten Folk-Musik wie das versonnene Lächeln eines wahren Künstlers.

Es ist die vierte Platte, die der Endvierziger aus Austin, Texas, unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlicht. Vorher war er vor allem für seinen trotzigen Lo-Fi-Rock unter dem Namen Smog bekannt. Callahan flanierte immer in der Schnittmenge mehrerer Genres, so auch auf seinem neuen Album. Es ist hörbar von Folk und Country beeinflusst, ohne aber eines von beiden zu sein. Es enthält sehr viele Rock-Elemente, ohne Rockmusik zu sein, sodass es am besten mit dem Überbegriff Americana beschrieben werden kann – dieses mysteriöse Genre, das wenn wir mal ehrlich sind, noch niemand so richtig definieren konnte.


 

Musikalisch schwelgt Bill Callahan geradezu in der freien Form. Es gibt keine Refrains, stattdessen mäandernde Songs, die sich wie der Schmetterling aus der Raupe langsam entpuppen. Dieser organische Sound klingt simpel, dahinter stecken jedoch unzählige Instrumente, die von Callahan so knapp und prägnant zum Akzentuieren der Songs genutzt werden, als wären sie nur dafür gebaut worden. Das einzig beständige ist oft nur die Jazz-Percussion, die alles zusammenhält. So genial einfach die Songs klingen, so entrückt sind sie bei genauerem Hinhören wirklich und Callahan muss sicher ein halbes Dutzend Musiker auf die Bühne bringen, um seine Songs live zu spielen.

Callahans Songwriting gleicht einem Gebirgsbach, dessen Ziel nur der Weg ist, den er sich völlig unvorhersehbar durch die Landschaft bahnt. Diese Musik versprüht den Charme seliger Einsamkeit, mit herrlichem Humor untermalt. So beschreibt Callahan in ‚The Sing‘ das Sitzen an einer Hotelbar und singt: „The only words / I said today / are ‚beer‘ / and ‚thank you‘.“ Einen Rhythmus bekommt dieser von Streichern und leiser Gitarre getragene Song zunächst nur von zwei Klanghölzern, dem einsamsten aller Instrumente, bis dann Callahans warmer Bariton einsetzt. So würde Tom Waits heute klingen, wäre er nicht so viel mit Frank Zappa auf Tour gegangen. Gemeinsam haben beide die Weisheit der Worte und die Romantik. Callahan bleibt dabei immer positiv, reißt kleine Witze und macht das melancholische Lächeln, das er im Augenwinkel trägt, auf magische Weise hörbar.

In Songs wie ‚Javelin Unlanding‘ steckt ungemein viel Poesie, die von Callahan im lockeren Plauderton vorgetragen wird. Zur freien Form seiner Musik passt seine metaphorische Offenheit, die keine manifesten Aussagen daherposaunt sondern den Zuhörer vielmehr selbst erkennen lässt, welche Weisheiten zwischen den Zeilen stecken. So beschreibt er im Song ‚Small Plane‘, einem Highlight der Platte, das Gefühl menschlicher Vertrautheit mit sehr vagen Worten und könnte den Kern dabei doch nicht besser treffen: „Sometimes you sleep / while I take us home / that’s when I know / we really have a home.“ Ganz groß.

Daniel Schlechter

PAUL MCCARTNEY – NEW (LP)

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Kraftvoll, dynamisch, frisch! Man mag es kaum glauben, aber Sir Paul McCartney klingt jung und lebendig. Mit ‚New‘ veröffentlicht er nun wieder ein gradliniges Rock-Album, scheut dabei jedoch nicht vor Einflüssen anderer Genres. Von straightem Classic Rock, psychedelischem Krautrock über akustischem Folk bis hin zur elektronischen Musik mit Trip Hop-Vibe ist also einiges vertreten.

NEW. Ich erwische mich, noch bevor ich mir das neue Werk des ehemaligen Beatles Paul McCartney anhöre, dass ich lange über dieses Wort nachdenke. Was bedeutet ’neu‘, wenn man sich das 16. Studioalbum eines 71-jährigen Musikers und Ritter des Britischen Empire vornimmt? Was kann man „neues“ schaffen, wenn man in 46 Jahren Musikbusiness über 500 Songs geschrieben und 200 Millionen Alben und Singles verkauft hat? Was ist „neu“ an diesem Album des eigentlich stilsicheren Großmeisters des popformatigen Rock ’n‘ Rolls? Ich bin gespannt, noch während die ersten Sekunden des ersten Songs laufen. . .

Wie es sich für ein anständiges Rock-Album gehört, kracht´s zu Beginn erst einmal ordentlich. Verzerrte Gitarren, ein rollender Basslauf – angetrieben vom gelegentlich peitschenden Schlagzeug. Natürlich typisch für McCartney, hackt er die Achtelnoten ins Piano, als ob es keinen Morgen gäbe. Einige Gesangspassagen des ersten Songs erinnern an die bewusst pompöse Mehrstimmigkeit eines jeden beliebigen Queen-Songs. Warum eigentlich auch nicht? Sie runden den eher geraden Verlauf gut ab. Tatsächlich sind die ersten paar Songs recht gradlinig und simpel. Dafür machen sie aber verdammt viel Spaß! Die ersten Gedanken darüber, was er uns als „neu“ präsentieren möchte, kommen mir. Eine Person wird vorgestellt, die neu in sein Leben getreten ist. Schnell wird klar, er erhofft sich eine Menge: „You’ve got something that’ll save us. Save us now!“ Oder auch: „Could you be that person for me? Would you feel right setting me free?“

Eine Rückblende: nun ist der ritterliche Ex-Pilzkopf auf die Akustikgitarre umgestiegen und berichtet uns von einer Zeit vor den Beatles, vor dem Erfolg, als einfacher Arbeiter unterwegs. Ohne viel Schnörkelei und Metapher erinnert er sich. Ein wenig klingen seine Worte wie eine Warnung an sich selbst, an den jungen Paul: „There were rules you never told me, never came up with a plan. All the stories that you sold me, didn’t help me understand. But I had to get it worked out, had nobody who could help. So then in the end it turned out that I had to do it by myself. Hear the people shout! Hear the people shout!“ Nachvollziehbar wehmütig – man bedenke den zu frühen Tod seines Band- und Songschreiberkollegen John Lennon im Jahre 1980 – klingen die Szenen, in denen er die ersten Jahre ihrer Freundschaft und der aufflammenden Liebe zur Musik beschreibt. Wo wir grad bei ehemaligen Beatles-Mitstreitern sind: der Song ‚Early Days‘ mit seinen vielen Akustikgitarren und freundschaftlichen Worten hätte definitiv auch aus der Feder George Harrisons (Beatle Nummer drei von vier) stammen können, wenn das Schicksal es anders gewollt hätte.

Wieder angekommen im Hier und Jetzt beschäftigt sich der Titeltrack ‚New‘ konkreter mit den neuen Dingen im Leben des Paul M. Es bestätigt sich mein Verdacht, dass es sich um eine ganz besondere Person handelt: „You came along. And made my life a song. One lucky day. You came along.“ Dieser Song braucht sich in Gesellschaft seiner nahen Verwandten, wie ‚Penny Lane‘ oder ‚Good Day Sunshine‘, nicht zu verstecken. Piano, Handclaps und Uh-uhs von der ersten bis zur letzten Sekunde. Da bleibt kein Auge trocken!

Erneut ein Bruch: dieses mal zeigt sich das Mischwerk aus ingesamt vier verschiedenen Produzenten von seiner experimentellsten Seite. Paul McCartney hat bewusst junge Vertreter dieses Handwerks gesucht und das hat er nun davon. ‚Appreciate‘ kommt sehr düster und elektronisch daher. Auf sterile Trip Hop-Beats kommt monotoner Gesang. Die Atmosphäre ist so dicht, dass man gerne das Fenster aufmachen möchte. Frisch gelüftet lässt es sich doch viel besser in die zweite Hälfte des Albums starten. Ein wenig Electric Light Orchestra hier, ein wenig Brian Adams da. Die Luft scheint etwas raus, so dass ich mich nun kurzzeitig mit anderen Künstlern als Referenzen behelfen muss. Jetzt wird ganz arg Tempo rausgenommen, um wieder Stimmung aufzubauen. Mit dumpf klatschendem Schlagzeug, langsamer Akustikgitarre und psychedelischer Note singt McCartney endlich Klartext: „Come now lady don’t you do me wrong. I fell for you and now it won’t be long. Before I hold you in my arms. Before I take you to my heart again.“ In einem Interview verrät er, dass mit der neuen Frau an seiner Seite eine glückliche Periode in seinem Leben beginnt. Er fügt hinzu: „So you get new songs when you get a new woman.“ Scheint mir an dieser Stelle schon des Rätsels Lösung zu sein, was es mit dem Albumtitel ‚New‘ auf sich hat. Ich höre weiter, was uns der Mann zu dem Thema noch zu sagen hat.

Nun wird es tatsächlich etwas sexy: „Listen to me, we can give it a try. I’ll look you straight in the eye and pull you to me. What I’m gonna do next I’ll leave entirely to your imagination.“ Und ich muss zugeben, ich fühle mich etwas angegraben. Bis zum letzten Song passiert nicht mehr so viel interessantes. Wenn sich jemand Füllmaterial auf einem Album erlauben darf, dann ja wohl Sir Paul fucking McCartney. Die letzte Nummer ist wieder sehr düster und klingt ein wenig nach David Bowie. Er experiment mit Drumbeats aus der Box und der mumpfige Bass legt sich wie ein dicker Teppich unter das ganze Song-Geflecht. Der Gesang haucht in den Strophen und kommt dann umso kraftvoller im Refrain zur Geltung. Mit dieser eher gedrückten Stimmung sollen wir nun verabschiedet werden? Zum Glück gibt’s da noch einen Hidden Track, der zwar auch eher traurig daher kommt, aber das Gesamtkonzept des Albums wieder mit Inhalt fühlt. Überwältigend ehrlich und nackt offenbart McCartney uns seine Ängste, was die Zukunft betrifft. „I’m still too scared to tell you. Afraid to let you see. That the simplest of words won’t come out of my mouth. Though I’m dying to set them free.“, singt er mit authentischer Stimme, die zwischendurch fast bricht. Mit jedem weiteren Akkord seiner tragenden Klavierbegleitung bringt er uns tiefer und tiefer. Unten angekommen – in der Tiefen wunderschöner Melancholie, wird uns etwas klar: der größte noch lebende Songschreiber der Rockgeschichte, Multimillionär und Ritter des Englischen Empire Sir Paul McCartney ist ein Mensch wie du und ich. Er zeigt uns Stärken, offenbart Schwächen, hat Angst und findet Hoffnung. ‚New‘ zeigt einen musikalisch facettenreichen und textlich ausdrucksstarken McCartney wie schon lange keines seiner Studioalben mehr.

– Maix Fleischer

ANDREW BIRD – I WANT TO SEE PULASKI AT NIGHT (EP)

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Andrew Bird beweist sich erneut als Freund und Helfer bei regnerischen Tagen und/oder schlechter Laune. Im November dieses Jahres beehrte er unsere Hörmuscheln mit einer neuen EP samt US-amerikanischer Kurztour. Das letzte wollt ich wohl dann doch nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Sei’s drum. Sechs instrumentale Stücke und eines mit Gesang werden uns auf CD und Vinyl präsentiert.

Der gebürtige Vogelfreund und erlernte Geigenbogenstreicher lässt uns mit Wort und Klang an der Liebe zu seiner Heimatstadt Chicago teilnehmen. Im mehr oder weniger Titeltrack ‚Pulaski At Night‘ besingt und bespielt Herr Bird die ortsansässige Pulaski Road – eine Liebesbekundung an die Stadt, ja. . . Aber wenn man der Entstehungsgeschichte des Titels ‚I Want To See Pulaski At Night‘ glauben mag, dann stellt dies nicht viel weniger als eine Hommage an die asiatisch-amerikanische Studentenpartnerschaft dar. Diese ermöglichte Andrew Bird, diesen für ihn so poetisch klingenden Ausspruch eines thailändischen Austauschstudenten zu vernehmen: I Want To See Pulaski At Night! Ach, herrlich. Klingt wie: Ich möchte Paris im Mondschein sehen! – oder: Die Bière, die so schön hat geprickelt in mein‘ Bauchnabel. Aber hört doch am besten selbst:

Andrew Bird schafft es, ein eher klassisches Instrument wie die Geige modern klingen zu lassen. Neben grandiosen Melodien, die er mittels elektronischer Gerätschaften übereinander stapelt, spielt er auch gerne Akkorde auf dem Instrument, wie man es doch eher mit einer Gitarre tun würde. In kurzen Momenten verschmelzen Geige und Stimme komplett. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sein Gesang doch sehr am dynamischen und intervallverliebten Spiel der Geige angelehnt ist. Nachvollziehbar, wenn man das Ding seit seinem vierten Lebensjahr spielt. Verspielte Melodien im Indie-Gewand treffen auf erdigen Folkpop mit Klassik-Anleihen.

Das klingt jetzt eher nach einer Floskel irgendeines Nebensatzes aus dem Übungshefter der Freundin mit fast abgeschlossenem Pädagogikstudium, aber wenn ihr den Song gehört habt, werdet ihr verstehen: Andrew Bird spielt, was Herz und Hand hergeben. „Come back to Chigaco – city of love“ singt er . . .fast so, als würde er mir recht geben wollen. Nach eigener Aussage brauchte Bird geschlagene 20 Jahre, um aus der quasi-thailändischen Alltagspoesie eine hörbare Umsetzung zu schaffen. Gut Ding will Weile haben!

– Maix Fleischer