Synthie

WYE OAK – SHRIEK (28.04.2014)

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e8cf1143Ein weiteres, absolut spannendes Duo des songorientierten Indie-Rocks kündigt für dieses Jahr ein neues Album an: Wye Oak aus Baltimore, Maryland veröffentlichen am 28./29. April (City Slang in Europa/Merge in den USA) ihr viertes Studioalbum mit dem irgendwie vertraut klingenden Namen ‚Shriek‘.

Wye Oak, das sind Jenn Wasner – Gesang, Gitarre – und Andy Stack – Schlagzeug und linke Hand gleichzeitig am Keyboard. Doch um das Ganze ein wenig aufzufrischen, gab es für das neue Album leichte Änderungen in den zu bearbeitenden Frequenzbereichen. Wasner spielt nun ausschließlich die Bassgitarre zu ihrem Gesang und neben dem Schlagzeug kümmert sich Stack am Keyboard fortan um höhere Frequenzen und Melodien. anstatt wie bisher lediglich die Bassbegleitung in die Tasten zu hauen. Sollte man sich definitiv anhören und auch ansehen. Am 25. März spielen Wye Oak im Privatclub in Berlin, Kreuzberg. Also Karten bestellen, Album kaufen, sich in Fräulein Wasner verlieben. . . meine Empfehlungen!

Der erste hörbare Titel ‚The Tower‘ groovt schon mal tierisch vor sich hin und macht sich schön breit im Stereospektrum.

Maix Fleischer

THE POSTAL SERVICE – GIVE UP (LP)

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PostalService_cover

Folgende Platte für die Ewigkeit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Stilbruch in den meisten Plattenregalen bzw.den digitalen Pendants der geneigten Hörerschaft.Wenn man doch vorher nicht viel mit elektronischer Popmusik anfangen konnte, dann lohnt es sich für diese Scheibe allemal. Mit dem 2003er Album ‚Give Up‘ habenThe Postal Service sicherlich nicht nur mir eine Tür zu diesem Musikgenregeöffnet. Charmant, erfrischend, tanzbar findet die Musik ihren Weg in unsere Ohren, Beine und Herzen. Garantiert!

Das (ursprüngliche) Duo von der US-amerikanischen Westküste entstand zwei Jahre zuvor nach einer zunächst einmaligen Beteiligung Ben Gibbards an einem Song des Vollzeit-Elektronikers Jimmy Tamborello. Dessen deutlich experimentelleres und getrageneres Soloprojekt Dntel brachte 2001 sein Debutalbum zustande. Sowohl Gibbard, der als Sänger, Gitarrist und Songschreiber von Death Cab For Cutie in diesem Jahr bereits das vierte Album veröffentlichte, als auch Tamborello wollten an ihrer Liaison anknüpfen. Mit weiblicher Unterstützung bei den Background-Gesängen durch Rilo Kiley´s Jenny Lewis und Jen Wood entstand nach 10 Monaten das Debut ‚Give Up‘. Bei der Produktion (und einigen Instrumentalparts) half kein geringerer alsDeath Cab-Bandkollege und Multiinstrumentalist Chris Walla. Witzige Anekdote zwischendurch: beim Ideenaustausch und Aufnehmen spielte die amerikanische Post – United States Postal Service – eine wichtige Rolle. Tamborello schickte die Musik Gibbard per Post, der neben einiger Strukturierung dazu Gesang, Melodien und Instrumente aufnahm und dies zurück zu Tamborello sendete. Dies brachte das musikalische Seitenprojekt – mit Jenny Lewis mittlerweile zu einem Trio angewachsen – dazu, sichauf Seattles Kult-Label Sub Pop letztendlich als The Postal Service ankündigen zu lassen. Aber genug der Hintergrundgeschichten. Kommen wir zur Musik!

Zunächst noch gemächlich kommt der erste Song ‚The District Sleeps Alone Tonight‘ daher. Die ersten Schritte auf den Höher zu begleitet Jimmy Tamborello mit einer geraden Synthie-Basslinie und dazugehörigem Stolper-Beat. Ein paar kleine Stereofrickeleien fliegen uns um die Ohren, zunächst nichts aufregendes; etwas für die Stimmung dennoch. Ben Gibbard präsentiert sich anfänglich verhalten: keine allzu großen gesanglichen Sprünge; textlich beschreibt er eine Situation –vielleicht dieser nicht ganz unähnlich, in der er neu und etwas orientierungslos ist: „I’m staring at the alphalt wondering what’s buried underneath. Where I am? […] I’ll wear my badge, a vinyl sticker with big block letters adherent to my chest that tells your new friends I am a visitor here. I am not permanent.“ Er wirkt in seiner Rolle etwas schüchtern, scheint sich darin aber nicht unwohl zu fühlen. Der Gesang wird mehrstimmig und erzeugt Tiefe; wieder etwas für die Stimmung. Doch dann passiert es: nach gut zwei Minuten hat sich der Beat ausgestolpert und treibt nun dezent aber unaufhaltsam. Zwei Gitarren erzählen sich was, und Gibbard uns seine Geschichte ein Stück selbstsicherer. Elektronische Streicherklänge verabschieden uns mit dem Gefühl, dass dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf die melodische und dynamische Vielseitigkeit des restlichen Albums war.

Tatsächlich geht’s sportlich weiter. Mit ‚Such Great Heights‘ wird uns das nächste Single-Material um die Ohren gehauen. Obwohl der Rhythmus uns von der Couch hochjagen will, setzen sich Gesang und Melodie gemütlich wieder hin. Gitarren und Streichersounds wechseln sich ab. Die Atmosphäre wirkt nie überladen. Trotz des melancholischen Untertons bleibt alles locker und ausgelassen. „Don’t wake me I plan on sleeping in!“, säuselt Gibbard und damit schalten die nächsten drei Titel erst einmal einen Gang zurück. Vielmehr zeigt sich Tamborello von seiner detailverliebten Seite: Beats, Clicks und Claps, wo das Ohr nur hinhört. ‚Nothing better‘ schält sich dort als sehr verspieltes Duett zwischen Gibbard und Jen Wood heraus, das den Song, laut Aussage Gibbards, zum einzigen positiven zum Thema Liebe macht. „Will someone please call a surgeon who can crack my ribs and repair this broken heart that you’re deserting for better company?“, klingt für mich jetzt nicht so lebens- und liebesbejahend. Aber wer bin ich, die Absichten des Künstlers in Frage zu stellen? „Tell me am I right to think that there could be nothing better than making you my bride and slowly growing old together?“ Das liest sich doch schon positiver.

Die schönen Harmonien und eingängigen Melodien lullen manchmal ein. Ich werf der Truppe einfach mal vor, ihre Einflüsse durch den Synthiepop und New Wave der 80er-Jahre nicht verstecken zu können oder gar zu wollen. Man hört New Order, Depeche Mode und Human League. Auch wenn’s für mich persönlich ein Grund wäre, sollte das aber nicht abschrecken. Zum Glück ist auf der Platte nämlich vielmehr zu hören als plumpeKlangnostalgie! Es gibt genug Details und Abwechslung zu entdecken, so dass man sich auch in schwächeren Momenten nicht langweilt.

Weiter geht’s aber ganz stark. Wieder bringen uns The Postal Service zwei Hits für die Tanzfläche. ‚Clark Gable‘ und ‚We Will Become Silhouettes‘ sind auch textlich sehr ausdrucksvoll. „I was waiting for a cross-town train in the London underground when it struck me that I’ve been waiting since birth to find a love that would look and sound like a movie. So I changed my plans. I rented a camera and a van and then I called you: ‚I need you to pretend that we are in love again‘ and you agreed to.“, berichtet uns Gibbard in ‚Clark Gable‘ als eine Art lyrischer Hobbyfilmer-Tribut an die große Leinwandlegende mit dem markanten Schnurrbart (Vom Winde verweht).

‚This Place Is A Prison‘ zeigt einen interessanten Kontrast zum sonst sehr unbeschwerten Konzept des Albums. Die Beats sind schwermütig, die Akkorde in Moll und der Gesang sehr gedrückt und deprimiert: „This place is a prison. And these people aren’t your friends. Inhaling thrills through 20-dollar bills. […] And I know that it’s not a party if it happens every night. Pretending there’s glamour and candelabra when you’re drinking by candlelight.“ Auch in ‚Brand New Colony‘ wird nach typischem Schema ein erfolgreicher The Postal Service-Song aufgebaut: der Bass ist tief, der Rhythmus holprig aber treibend, die Melodieinstrumente lassen sich Raum, vorallem im Stereobild wird eine Menge gespielt. Der Gesang ist sehr gefühlvoll und ungekünstelt, in einigen Momenten mehrstimmig. Repetitive Gitarrenriffs und ein treibendes Schlagzeug bringen zusätzlich noch ein organisches Element in den Gesamtsound. Alles in allem: absolut rund! Der letzte Titel ‚Natural Anthem‘ will uns entweder mit Vollgas wieder in den Alltag katapultieren, oder einfach noch mal so richtig ausrasten. Vielleicht ja auch beides! 4 Minuten lang wird alles übersteuert, was geht; die Disziplin geht mal komplett flöten. Mit ein paar netten Worten: „So please don’t be upset at this portrait that I paint. It may be a little biased, but at least I spelled your name right…“, und einem krachenden Schluss entlässt uns die Platte. Ich würd’s keinem übel nehmen, nach kurzer Verschnaufpause die Plattennadel wieder ganz vorne anzusetzen.

Selbst die zusätzlich veröffentlichten Coversongs und B-Seiten können kaum darüber hinwegtrösten, dass es nie ein zweites Album gab und nun auch die Band nicht mehr. Auch wenn ein Nachfolger jahrelang im Gespräch und wohl auch schon angegangen war. Wer sich dennoch etwas aufmuntern möchte, dem lege ich folgende Alben ans Herz: Dntel – ‚Life Is Full Of Possibilities‘, Death Cab For Cutie – ‚Plans‘, The Album Leaf – ‚In A Safe Place‘ oder auch The Notwist – ‚Neon Golden‘. Den Rest dürft ihr nun selbst entdecken.

– Maix Fleischer