Vinyl

AMERICAN FOOTBALL – DELUXE EDITION REISSUE (20.05.2014) + SHOWS

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1782138_10152184626072319_311968148_nIm März hat Polyvinyl Records angekündigt, knapp 15 Jahre nach Veröffentlichung das einzige Album der US-amerikanischen Indie-Band American Football neu aufzulegen. Am 20.05. erscheint eine Deluxe Edition des selbstbetitelten Albums von 1999. Zu den neun originalen Songs der Platte gesellen sich dann noch insgesamt zehn ungehörte Demos und Live-Aufnahmen.

Um die Entstehungsgeschichte so kurz wie möglich zu machen: die Band entstand 1997 zunächst als The One Up Downstairs. Es entstanden aber nur drei Songs, die erst Jahre später veröffentlicht wurden, bevor sich die Band wieder auflöste. David und Allen Johnson gingen zu Very Secretary. Mike Kinsella und Steve Lamos holten sich Steve Holmes mit ins Boot und nannten sich von nun an American Football. Es entstand eine EP und ein Jahr später das Debutalbum. Mal wieder war die Band noch vor der Veröffentlichung der LP auseinander gebrochen. Kinsella gründete mit alten Freunden Owls und später sein Soloprojekt Owen.

Neben der Neupressung der Scheibe inklusive Bonusmaterial, wurden nun auch noch zwei drei Konzerte angekündigt. Leider nur in den USA. Aber im Zeitalter der schnellen Daten, freu ich mich schon auf die vielen Youtube-Clips in mieserabler Handy-Videoqualität.

Maix Fleischer

MOTORPSYCHO – BEHIND THE SUN (LP)

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motorpsycho_behind_the_sun_1024x1024.JPG v=1392135369Endlich das Postpäckchen vom Nachbarn mit dem aggressiven Kater abgeholt – der war allerdings friedlich gestimmt und so kann ich mich nun der neuen Scheibe ‚Behind The Sun‘ von Motorpsycho widmen. Die Norweger begehen 2014 das 25. Jahr ihres Bandbestehens und zeigen weder Anzeichen von Altersschwäche noch Ermüdungserscheinungen. Ganz im Gegenteil: das viele, neue Material fand mal wieder nur auf einer Doppel-LP Platz. ‚Behind The Sun‘ haut uns in über 60 Minuten von vertripptem Psychedelic Rock bis hin zu dynamischen Progressive-Balladen alles um die Ohren, was Gitarrensaiten, Schlagzeugfelle und Verstärkerröhren hergeben.

Schon mit dem ersten Titel ‚Cloudwalker (A Deeper Blue)‘ zeigen Motorpsycho, was sie in den letzten 25 Jahren gelernt haben: vielschichtige Songs mit einem grandiosen Gespür für Melodien und Rhythmen. Der tief grollende Bass und das unermüdliche Schlagzeug sind eine sehr komplexe Einheit, die mit ihrem Groove aber immer in die Beine oder – für die Langhaarigen unter uns – in den Nacken geht. Die dynamischen Gitarren, ob elektrisch oder akustisch, reichern die ganze Mixtur mit Fläche und besonderem Charakter an. Die Riffs sind brutal, können aber auch sehr feinfühlig und fragil sein. Der Gesang zieht alle (Ton-)Register und schwillt im Refrain gerne zur mehrstimmigen Lobpreisung an.

Auch der nächste Song ‚Ghost‘ offenbart eine Seite, die mir als eingefleischter Fan jahrelang zu kurz kam: Akustische Gitarren und erdige Gesangspassagen. Streicher und Mellotrone ergänzen sich hervorrangend und zusammen mit der schwermütigen Instrumentierung zaubern sie eine sehr düstere, aber wohlige Stimmung, die mit dem nächsten Song ein jähes Ende findet.

Mit Cowbell und Fuzzpedal rockt ‚On A Plate‘ absolut erbarmunglos. Die Instrumente grunzen vor sich hin, dass die Schweine im Stall blass vor Neid werden. Alles donnert, und auch ‚The Promise‘ glänzt mit astreiner Umsetzung des Gelerntes aus der Schule des Classic Rock. Die ersten Gitarrensoli werden losgelassen, aber hier deutlich sparsamer und beherrschter als auf den Vorgängeralben. Auch ‚Kvæstor (Incl. Where Greyhounds Dare)‘ macht keinen Hehl daraus, dass für Motorpsycho Bands wie Deep Purple, Iron Maiden und Led Zeppelin immer noch relevante Vorbilder sind. Was ich eben noch „beherrscht“ genannt habe, flippt jetzt komplett aus. Es gibt Passagen, wo sich alle wieder einfinden, um zu schauen, ob noch alle da sind. Aber dazwischen ist jeder frei, zu tun, wonach ihm ist. Aber schaut Euch das am besten mal kurz selber an.

Wieder ein paar Ruhepunkte auf dem Weg zum großen Finale des Albums finden sich in den nächsten Songs. ‚Hell, pt. 4 -6. . .‘ spinnt ein musikalisches Thema weiter, was die Band schon 2013 mit dem ersten Song auf dem Album ‚Still Life With Eggplant‘ begann. In über 12 Minuten entwickelt sich der Song vom leichtfüßigen, textbetonten Stück über eine Musik gewordene Traumsequenz zum ausufernden Post Rock-Jam inklusive mehrstimmigem Klimax. ‚Entropy‘ ist wieder eine geradere Popnummer, was ganz gut tut. Im Midtempo schaukeln wir uns durch den Song – schöne Akkorde, schöner Gesang, eins, zwei entspannte Soli. Damit´s aber nicht lahmt, reißt uns der treibende Groove von ‚The Magic & The Wonder (A Love Theme)‘ wieder hoch. Ich ahne schon, was kommt. Mit ‚Hell, pt. 7. . .‘ werden wir noch mal komplett durch Raum und Zeit geschleudert. Ich kann dem Song zwar einen 4/4-Takt zuordnen, aber wo der anfängt und wo aufhört, wissen wohl nur Motorpsycho allein. Das alte Gesangsthema von den ersten Parts von ‚Hell. . .‘ taucht auf, irgendwo zwischen verzerrten Gitarren, knurrendem Bass und jazzigem Rockschlagzeug. Alles überlagert sich, findet doch immer wieder zur gemeinsamen Sache zurück: den Hörer möglichst anspruchs- und effektvoll um seinen Verstand zu bringen.

Auf einmal ist es da: das abrupte Ende von ‚Behind The Sun‘. Ein musikalischer Ausflug, so facettenreich und aufregend, wie ein Trip zur Sonne und (dahinter) noch weiter. Für diese gut eine Stunde skandinavischer Sonnenforschung hätte ich sogar einen nicht friedlich gestimmten, aggressiven Kater des Nachbarn in Kauf genommen.

Maix Fleischer

SUNNY DAY REAL ESTATE – SPLIT-7-INCH mit CIRCA SURVIVE (19.04.2014)

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sunny day real estate splitSunny Day Real Estate waren die erste Band, die ich für mich als „Emo“ verbucht habe. Ein Begriff der Jahre später durch überambitioniert-weichgespülte Schmachtsongs und modisch-geschwungene Seitenscheitel pervertiert ist und sich davon eigentlich auch nie erholt hat. Mitte der Neunziger waren das noch von schweren Gitarrenriffs und unbarmherzigen Drumgrooves getragene Rocksongs, nah am Hardcore, jedoch melodisch und textlich gereifter. Die Themen waren sicherlich keine anderen, nur die Sichtweise änderte sich auch mit dieser Generation. Sunny Day Real Estate waren sicherlich nicht die ersten dieses musikalischen Genres, aber zweifelsohne prägend für vieles, was danach noch kommen sollte.

Als es 2001 dann zum zweiten mal hieß, dass die Band sich auflöse, konnte man sich, hoffend auf die nächste Reunion, mit genügend Material nachfolgender Projekte trösten. Ur-Bassist Nate Mendel verschaffte sich zwischen Tourplänen mit Dave Grohls Foo Fighters die Zeit, um mit seinen ehemaligen SDRE-Kollegen Jeremy Enigk (Gitarre, Gesang) und William Goldsmith (Schlagzeug) das großartige Debutalbum von The Fire Theft einzuspielen und kurzzeitig zu betouren. Gitarrist Dan Hoerner arbeitete an der zweiten EP von Dashboard Confessional mit. Und Jeremy Enigk veröffentlichte 10 Jahre nach seinem Debut 2006 sein zweites Studioalbum ‚World Waits‘.

2009 war es dann endlich wieder soweit: Sunny Day Real Estate ließen ihre Reunion verkünden. In der kompletten Originalbesetzung tourte die Band in den USA, Kanada und Australien. Es hieß, neues Material sei auf dem Weg. Doch vom Versuch, ein ganzes Album aufzunehmen, blieb lediglich ein Song, der nun gute vier Jahre später auf einer Split-7-Inch (2.500 Stück) mit Circa Survive veröffentlich wird. ‚Lipton Witch‘ heißt der Song und ist das erste neue Material der Band seit der LP ‚The Rising Tide‘ von 2000. Sunny Day Real Estate waren es vorher schon und sind es nun wieder: Geschichte.

Maix Fleischer

WYE OAK – SHRIEK (28.04.2014)

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e8cf1143Ein weiteres, absolut spannendes Duo des songorientierten Indie-Rocks kündigt für dieses Jahr ein neues Album an: Wye Oak aus Baltimore, Maryland veröffentlichen am 28./29. April (City Slang in Europa/Merge in den USA) ihr viertes Studioalbum mit dem irgendwie vertraut klingenden Namen ‚Shriek‘.

Wye Oak, das sind Jenn Wasner – Gesang, Gitarre – und Andy Stack – Schlagzeug und linke Hand gleichzeitig am Keyboard. Doch um das Ganze ein wenig aufzufrischen, gab es für das neue Album leichte Änderungen in den zu bearbeitenden Frequenzbereichen. Wasner spielt nun ausschließlich die Bassgitarre zu ihrem Gesang und neben dem Schlagzeug kümmert sich Stack am Keyboard fortan um höhere Frequenzen und Melodien. anstatt wie bisher lediglich die Bassbegleitung in die Tasten zu hauen. Sollte man sich definitiv anhören und auch ansehen. Am 25. März spielen Wye Oak im Privatclub in Berlin, Kreuzberg. Also Karten bestellen, Album kaufen, sich in Fräulein Wasner verlieben. . . meine Empfehlungen!

Der erste hörbare Titel ‚The Tower‘ groovt schon mal tierisch vor sich hin und macht sich schön breit im Stereospektrum.

Maix Fleischer

THE NOTWIST – CLOSE TO THE GLASS (24.02.) + TOUR 2014

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the notwist - close to the glassThe Notwist, die Electronic-Großmeister und Independent-Tausendsassa aus dem oberbayrischen Weilheim, lassen mal wieder alle Nebenprojekte links liegen und verkünden ein neues Album samt Europatour. ‚Close To The Class‘ erscheint am 24. Februar in Europa über City Slang; und erstmalig über Sub Pop in den USA – die Doppel-LP kommt streng limitiert mit einer blauen und einer orangen Schallplatte!

Den Titelsong der Platte gibt es bereits zu hören. Weiter unten findet Ihr die Deutschlandtermine der Tour und noch einen guten Tipp!

 

The Notwist in Deutschland unterwegs:

 

24.02. – Schlachthof in Wiesbaden

25.02. – Forum in Bielefeld

26.02. – Heimathafen in Berlin

10.03. – Wagenhallen in Stuttgart

20.03. – E-Werk in Köln

13.04. – Circus Krone in München

27.05. – Laeiszhalle in Hamburg

 

P S: Im Onlineshop direkt beim Label City Slang gibt es viele The Notwist-Platten und auch andere echt günstig. Günstiger als in jedem großen Katalog oder bei scheiß Amazon.

Maix Fleischer

OWLS – TWO (25.03.2014)

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owls - twoGilt eine Band eigentlich auch dann als „Supergroup“, wenn ihre Mitglieder nach der Auflösung in anderen erfolgreichen Konstellationen weiterhin Musik gemacht und sich dann wieder zusammengefunden haben? Keine Ahnung! Ist auch egal, ändert die Antwort nichts an den folgenden Neuigkeiten: Chicagos einst kurzlebige Indie-Supergroup Owls hat sich 2012 in der Originalbesetzung wieder zusammengetan und nun ein neues Album angekündigt. ‚Two‘ erscheint am 25. März dieses Jahres (über Polyvinyl in den USA) als Nachfolger des selbstbetitelten Debuts von 2001.

Owls – da waren und sind wieder Tim Kinsella (Joan Of Arc, Make Believe etc.), Bruder Mike Kinsella (Owen, American Football, Joan Of Arc etc.), Victor Villarreal (Ghosts And Vodka etc.) und Sam Zurick (Make Believe, Ghosts And Vodka, Joan Of Arc etc.). Die Band kreierte 2001 als Folgeband der krachigen und einflussreichen Cap’n Jazz einen reiferen Sound, den ich in seiner Vielfältigkeit aber auch Einfältigkeit vorher noch nicht gehört hatte. Poppige Melodien trafen auf stark akzentuierte Rhythmen, frickelige Gitarrenriffs auf schräge Gesangseinlagen, die zusammen ein ungewohntes, dennoch stimmiges Bild machten. Ein bisschen Post Punk, viel Math Rock, über allem die Emo-Etikette, aber alles ziemlich eigenwillig und außergewöhnlich.

Ein bisschen Angst hab ich ja, was dabei musikalisch herauskommt – nach nur einem, und dann auch noch grandiosen Album und zehn Jahren Sendepause. Angesichts des ersten hörbaren Titels ‚I’m Surprised. . .‘ bin ich sehr gespannt!

Maix Fleischer

MINOR ALPS – GET THERE (LP)

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minor alps get thereEigenlob stinkt bekanntermaßen, aber wenn dabei solch schöne Songs entstehen, bin ich gewillt, das zu entschuldigen. In so ziemlich jedem Interview drücken die beiden Protagonisten des Duos Minor Alps ihre Bewunderung für das Schaffen des jeweilig anderen aus. Matthew Caws feierte 2012 das 20-jährige Jubiläum und mittlerweile siebte Album mit Nada Surf als Leadsänger und Gitarrist. Juliana Hatfield veröffentlicht schon seit den späten 80ern Platten, u. a. mit den Blake Babies, Some Girls und solo. Beide Musiker machten in den Neunzigern flüchtige Bekanntschaft mit dem Format des musiktelevisionären Massengeschmacks. Doch scheinen sie, sich auf kleineren Bühnen wohler zu fühlen. Caws und Hatfield lernten sich schließlich eines Tages kennen, haben sich als Fans geoutet und verabredeten sich zur Zusammenarbeit. 2008 sang jeder bei einem Song auf dem Album des anderen. Und als dann Nada Surf 2012 eine Pause einlegten, begann die Arbeit an dem Debut ‚Get There‘, das Ende letzten Jahres auf Barsuk Records erschien.

Minor Alps lassen sich aus – musikalisch und textlich. Sie spielen atmosphärische Popnummern mit Akustikgitarre, Mellotron und dezentem Drumcomputer direkt neben lauten Rocksongs mit elektrischen Gitarren und hastigem Schlagzeug. Bei jedem Song haben sie eine Menge zu erzählen; kaum ein Stück kommt mit weniger als vier Strophen und dementsprechend viel Text aus. Das alles sind vielleicht Symptome eines musikgewordenen Selbstfindungstrips zweier Songschreiber, die bisher diesen Prozess allein bestritten. ‚Get There‘ – also „dort hinkommen“ – würde vom Titel her zu dieser Theorie passen. Doch vor allem ist das Album ein Glanzstück gesanglichen Könnens. Die Tonqualitäten der Stimmen von Caws und Hatfield ergänzen sich außerordentlich gut. Manchmal lassen sie sich kaum noch auseinanderhalten. Nur an wenigen Stellen überhaupt verzichten sie darauf, die Texte unisono zu singen. Wenn beide zusammen singen, entsteht ein Effekt, der die erreichte Harmonie und den künstlerischen Einklang absolut spürbar macht. Und das ist es auch, was dieses Album so besonders macht. Auf einige grandiose Songs (‚Buried Plans‘, ‚I Don’t Know What To Do With My Hands‘, ‚If I Wanted Trouble‘, ‚Maxon‘) kommt diese harmonische und vertraute Art und Weise zusammen zu singen und zu spielen. Ich hoffe, dass Minor Alps trotz des Status eines Nebenprojekts langfristig bestehen bleiben und dann beim Folgealbum der eine oder andere mittelmäßige Song als Symptom der Selbstfindung uns erspart bleibt.


Maix Fleischer

MOGWAI – RAVE TAPES (LP)

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Mogwai - Rave TapesAm 20.01.2014 veröffentlichen Rock Action Records in Europa/UK und kurz darauf Sub Pop in den USA das neue Album von Mogwai, Schottlands Könige des ausufernden Post-Rocks und gewaltiger Soundwände. Mit ‚Rave Tapes‘ liefern uns Mogwai endlich ein reguläres Studioalbum als Nachfolger des grandiosen ‚Hardcore Will Never Die, But You Will‘ von 2011.

Vorbestellen könnt ihr die Scheibe entweder als CD, LP oder Download oder sogar als dickes, streng limitiertes Box-Set direkt im Online-Shop der Band oder beim Plattenhändler eures Vertrauens. Ich würd euch raten, nicht zu lang zu warten.

P. S. Natürlich wird die Platte auch noch ausgiebig betourt. Doch dazu später mehr!

– Maix Fleischer

DEAP VALLY – SISTRIONIX (LP)

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artworks-000060336960-frb431-originalSo wie es vor zehn Jahren das The vor dem Bandnamen war, so könnte die Formation des Duos das nächste heiße Ding im Indie sein. Spätestens seit den unvergleichlichen Japandroids ist klar: Zwei Musiker können mehr Energie haben, als AC/DC und Motörhead zusammen. Alles was es dazu braucht: Schmissiges Songwriting, Lautstärke und diese besondere Live-fast-die-young-Energie, die nur entsteht, wenn man es auch wirklich meint. Deap Vally vereinen all diese Eigenschaften und stellten sie gerade auf einer Europatour unter Beweis. Ihr fulminantes Debütalbum ‚Sistrionix‘ ist in den USA bereits Mitte des Jahres erschienen und nun endlich auch hier erhältlich.

Deap Vally sind Lindsey Troy und Julie Edwards aus dem San Fernando Valley in Kalifornien und sie spielen ihre Art von Rockmusik so, als wäre es die einzige Musik, an die je zu denken wäre. Ein pulsierender Mix aus erdigem Blues Rock, garagenverhaftetem Schweine-Rock’n’Roll und immer wieder überschäumendem, psychedelischem Space Rock à la Hawkwind. All diese Zutaten jagt Lindsey Troy durch ihre aberwitzige Fuzz-Gitarre, deren Sound schon symbolisiert, was Deap Vally so gut macht: Sie nehmen die Musik und ihre Einflüsse unglaublich ernst – sich selbst dafür kein Stück.  Die beiden Mädels spielen diesen brodelnden Mix mit einer frenetischen Leidenschaft und Aggression, die den Mund offen stehen lässt. Sie stürzen nach vorne, vom berstenden Schlagzeug getrieben und verlieren sich im nächsten Moment in dahinfließender, krautiger Blues-Improvisation. Die Produktion des Albums verzichtet dabei mit Recht auf Verschönerungen, denn die Musik ist so pur, dass sie nicht mehr geschliffen werden muss.

Songs wie ‚Your Love‘ erinnern ganz offensichtlich an die Black Keys und die White Stripes, andere Nummern tragen die Energie der ganz frühen Yeah Yeah Yeahs. ‚Walk of Shame‘ ist eine herrlich clevere, humorvolle Übersetzung von altem Blues in neuen Indie Rock und nebenbei ein knackiger Seitenhaken auf all die Mehr-Schein-Als-Sein-Girlies, die sich noch nicht aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit erhoben haben. Apropos: Als weibliches Duo, dass die seit Jahrzehnten von Männern dominierten Spielarten des Rocks aufgreift, kommen Deap Vally praktisch nicht um ein Statement zum Thema Gender herum. Und hier kann man nur danke sagen. Kim Gordon und womöglich sogar Judith Butler wären stolz: ‚Gonna Make My Own Money‘ meint eine Frau, die ihr eigenes Geld verdient und sich nicht von reichen Männern abhängig macht – das schöne ist jedoch, dass es dabei bleibt. Dieses einfache Statement, dass der feministische Diskurs zu oft zum Männerhass umgedeutet und damit ins Lächerliche gestürzt hat, ziehen Deap Vally durch und präsentieren sich in den restlichen Songs als lebensbejahende Frohnaturen, die so gut sind, dass sie auch automatisch auf Augenhöhe mit den Männern der Rockmusik sind, darum müssen sie nicht streiten. Alle die es vergessen haben, werden von Deap Vally daran erinnert, dass die Gender-Debatte auch cool geführt werden kann.

Das Highlight der Platte kommt ganz zum Schluss. Das psychedelisch-gewaltvolle und irgendwie ziemlich erotische ‚Six Feet Under‘ ist so aufregend und anziehend, wie es für Kinder damals eine richtig gruselige Geisterbahn war. So wie dort weiß man bei diesem Song irgendwann nicht mehr, wo man ist und wohin es führt. Diese Band hat gerade eine längere Tour mit Thurston Moore und Dinosaur Jr. hinter sich, zu denen sie perfekt passen und wer es einrichten kann, sollte sich einen Termin auf der nächsten Tour sichern. Denn was sie auf der Platte versprechen, das übertrumpfen sie live.

Daniel Schlechter

PAUL MCCARTNEY – NEW (LP)

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Kraftvoll, dynamisch, frisch! Man mag es kaum glauben, aber Sir Paul McCartney klingt jung und lebendig. Mit ‚New‘ veröffentlicht er nun wieder ein gradliniges Rock-Album, scheut dabei jedoch nicht vor Einflüssen anderer Genres. Von straightem Classic Rock, psychedelischem Krautrock über akustischem Folk bis hin zur elektronischen Musik mit Trip Hop-Vibe ist also einiges vertreten.

NEW. Ich erwische mich, noch bevor ich mir das neue Werk des ehemaligen Beatles Paul McCartney anhöre, dass ich lange über dieses Wort nachdenke. Was bedeutet ’neu‘, wenn man sich das 16. Studioalbum eines 71-jährigen Musikers und Ritter des Britischen Empire vornimmt? Was kann man „neues“ schaffen, wenn man in 46 Jahren Musikbusiness über 500 Songs geschrieben und 200 Millionen Alben und Singles verkauft hat? Was ist „neu“ an diesem Album des eigentlich stilsicheren Großmeisters des popformatigen Rock ’n‘ Rolls? Ich bin gespannt, noch während die ersten Sekunden des ersten Songs laufen. . .

Wie es sich für ein anständiges Rock-Album gehört, kracht´s zu Beginn erst einmal ordentlich. Verzerrte Gitarren, ein rollender Basslauf – angetrieben vom gelegentlich peitschenden Schlagzeug. Natürlich typisch für McCartney, hackt er die Achtelnoten ins Piano, als ob es keinen Morgen gäbe. Einige Gesangspassagen des ersten Songs erinnern an die bewusst pompöse Mehrstimmigkeit eines jeden beliebigen Queen-Songs. Warum eigentlich auch nicht? Sie runden den eher geraden Verlauf gut ab. Tatsächlich sind die ersten paar Songs recht gradlinig und simpel. Dafür machen sie aber verdammt viel Spaß! Die ersten Gedanken darüber, was er uns als „neu“ präsentieren möchte, kommen mir. Eine Person wird vorgestellt, die neu in sein Leben getreten ist. Schnell wird klar, er erhofft sich eine Menge: „You’ve got something that’ll save us. Save us now!“ Oder auch: „Could you be that person for me? Would you feel right setting me free?“

Eine Rückblende: nun ist der ritterliche Ex-Pilzkopf auf die Akustikgitarre umgestiegen und berichtet uns von einer Zeit vor den Beatles, vor dem Erfolg, als einfacher Arbeiter unterwegs. Ohne viel Schnörkelei und Metapher erinnert er sich. Ein wenig klingen seine Worte wie eine Warnung an sich selbst, an den jungen Paul: „There were rules you never told me, never came up with a plan. All the stories that you sold me, didn’t help me understand. But I had to get it worked out, had nobody who could help. So then in the end it turned out that I had to do it by myself. Hear the people shout! Hear the people shout!“ Nachvollziehbar wehmütig – man bedenke den zu frühen Tod seines Band- und Songschreiberkollegen John Lennon im Jahre 1980 – klingen die Szenen, in denen er die ersten Jahre ihrer Freundschaft und der aufflammenden Liebe zur Musik beschreibt. Wo wir grad bei ehemaligen Beatles-Mitstreitern sind: der Song ‚Early Days‘ mit seinen vielen Akustikgitarren und freundschaftlichen Worten hätte definitiv auch aus der Feder George Harrisons (Beatle Nummer drei von vier) stammen können, wenn das Schicksal es anders gewollt hätte.

Wieder angekommen im Hier und Jetzt beschäftigt sich der Titeltrack ‚New‘ konkreter mit den neuen Dingen im Leben des Paul M. Es bestätigt sich mein Verdacht, dass es sich um eine ganz besondere Person handelt: „You came along. And made my life a song. One lucky day. You came along.“ Dieser Song braucht sich in Gesellschaft seiner nahen Verwandten, wie ‚Penny Lane‘ oder ‚Good Day Sunshine‘, nicht zu verstecken. Piano, Handclaps und Uh-uhs von der ersten bis zur letzten Sekunde. Da bleibt kein Auge trocken!

Erneut ein Bruch: dieses mal zeigt sich das Mischwerk aus ingesamt vier verschiedenen Produzenten von seiner experimentellsten Seite. Paul McCartney hat bewusst junge Vertreter dieses Handwerks gesucht und das hat er nun davon. ‚Appreciate‘ kommt sehr düster und elektronisch daher. Auf sterile Trip Hop-Beats kommt monotoner Gesang. Die Atmosphäre ist so dicht, dass man gerne das Fenster aufmachen möchte. Frisch gelüftet lässt es sich doch viel besser in die zweite Hälfte des Albums starten. Ein wenig Electric Light Orchestra hier, ein wenig Brian Adams da. Die Luft scheint etwas raus, so dass ich mich nun kurzzeitig mit anderen Künstlern als Referenzen behelfen muss. Jetzt wird ganz arg Tempo rausgenommen, um wieder Stimmung aufzubauen. Mit dumpf klatschendem Schlagzeug, langsamer Akustikgitarre und psychedelischer Note singt McCartney endlich Klartext: „Come now lady don’t you do me wrong. I fell for you and now it won’t be long. Before I hold you in my arms. Before I take you to my heart again.“ In einem Interview verrät er, dass mit der neuen Frau an seiner Seite eine glückliche Periode in seinem Leben beginnt. Er fügt hinzu: „So you get new songs when you get a new woman.“ Scheint mir an dieser Stelle schon des Rätsels Lösung zu sein, was es mit dem Albumtitel ‚New‘ auf sich hat. Ich höre weiter, was uns der Mann zu dem Thema noch zu sagen hat.

Nun wird es tatsächlich etwas sexy: „Listen to me, we can give it a try. I’ll look you straight in the eye and pull you to me. What I’m gonna do next I’ll leave entirely to your imagination.“ Und ich muss zugeben, ich fühle mich etwas angegraben. Bis zum letzten Song passiert nicht mehr so viel interessantes. Wenn sich jemand Füllmaterial auf einem Album erlauben darf, dann ja wohl Sir Paul fucking McCartney. Die letzte Nummer ist wieder sehr düster und klingt ein wenig nach David Bowie. Er experiment mit Drumbeats aus der Box und der mumpfige Bass legt sich wie ein dicker Teppich unter das ganze Song-Geflecht. Der Gesang haucht in den Strophen und kommt dann umso kraftvoller im Refrain zur Geltung. Mit dieser eher gedrückten Stimmung sollen wir nun verabschiedet werden? Zum Glück gibt’s da noch einen Hidden Track, der zwar auch eher traurig daher kommt, aber das Gesamtkonzept des Albums wieder mit Inhalt fühlt. Überwältigend ehrlich und nackt offenbart McCartney uns seine Ängste, was die Zukunft betrifft. „I’m still too scared to tell you. Afraid to let you see. That the simplest of words won’t come out of my mouth. Though I’m dying to set them free.“, singt er mit authentischer Stimme, die zwischendurch fast bricht. Mit jedem weiteren Akkord seiner tragenden Klavierbegleitung bringt er uns tiefer und tiefer. Unten angekommen – in der Tiefen wunderschöner Melancholie, wird uns etwas klar: der größte noch lebende Songschreiber der Rockgeschichte, Multimillionär und Ritter des Englischen Empire Sir Paul McCartney ist ein Mensch wie du und ich. Er zeigt uns Stärken, offenbart Schwächen, hat Angst und findet Hoffnung. ‚New‘ zeigt einen musikalisch facettenreichen und textlich ausdrucksstarken McCartney wie schon lange keines seiner Studioalben mehr.

– Maix Fleischer